Mittwoch, 23. April 2025

Von Brück: Wie wir Mensch werden, Anthropologie für die Zukunft

 

Michael von Brück: Wie wir Mensch werden. Anthropologie für die Zukunft. Freiburg im Breisgau: Herder 2025. 978-3- 451-03511-1. € 32,00.

Was ist der Mensch? Diese Frage versucht die Anthropologie, die Wissenschaft vom Menschen, zu beantworten. Dabei bewegt sie sich im Spannungsfeld zwischen Natur- und Geisteswissenschaften und betätigt sich sowohl als biologische wie als Kulturanthropologie oder philosophische Anthropologie.

Der Religionswissenschaftler Michael von Brück hat sich nun nichts weniger vorgenommen, als verschiedene Fachgebiete zu einer modernen Anthropologie zu verknüpfen, Brücken zwischen Wissen und Glauben zu schlagen und eine Inspirationsquelle für die Sinnfindung zu liefern.

Anknüpfend an C.F. Von Weizsäcker versucht von Brück, sowohl eine Brücke zwischen Natur- und Geisteswissenschaften als auch zwischen Ost und West zu schlagen. Unter Berücksichtigung der neuesten Erkenntnisse aus der Kognitionsforschung ventiliert der Autor in sechs Kapiteln so grundlegende Themen wie die Natur des Bewusstseins, die Frage nach der Wahrheit, Kosmologie, Freiheit, Ethik und dem Sinn des Lebens.

Das erste Kapitel ist wohl das anspruchvollste. Es zeigt eindrucksvoll auf, dass sich die aktuelle Forschung zunehmend von materialistisch-reduktionistischen Modellen wegbewegt; Bewusstsein ist mehr als Hirnaktivität; Leib und Seele bilden ein Kontinuum, non-duale, „mystische“ Erfahrungen sind mehr als bloße Regression. Das buddhistische Modell der 5 Skandhas steht dazu nicht im Widerspruch.

Im zweiten Kapitel diskutiert von Brück, was Wissen eigentlich leistet und inwiefern überhaupt ein Anspruch auf Wahrheit erhoben werden kann. Er kommt zu dem Schluss, dass man wie im Buddhismus zwischen einer konventionellen (quantitativen) und eine absoluten (qualitativen) Wahrheit unterscheiden muss. Die Diskussion der verschiedenen Schöpfungsmythen in Kap. 3 ergibt, dass Buddhismus und Hinduismus im Dialog mit der Evolutionstheorie gegenüber Monotheisten einen gewissen Vorteil haben. Der Autor bezieht sich hierbei zu Recht auf die 12 Glieder des abhängigen Entstehens, hätte aber noch das Aggaññasutta (DN 27) erwähnen können. Kapitel 4 rechtfertigt den Begriff der Freiheit: „Freiheit und relative Bindung treten zugleich auf, sie bedingen einander und ermöglichen so das kreative Universum. Und die kreative Lebensgestaltung jedes einzelnen Menschenlebens“ (S. 232). Das Böse ist demnach „die Blockade des Lebendigen und die Missachtung wechselseitiger Abhängigkeiten.“ Der buddhistische Karma-Begriff widerspricht dem nicht.

Auch beiden letzten Kapitel über Liebe und Sterben enthalten bedenkenswerte Einsichten und münden in der Anregung, eine neue ars moriendi (Kunst des Sterbens) zu entwickeln. Hier wird das persönliche Engagement des Autors spürbar.

Das Buch ist für alle empfehlenswert, die bereit sind, sich auf teilweise anspruchsvolle philosophische Überlegungen einzulassen. Es wäre sicherlich auch eine Hilfe im interreligiösen Dialog.





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