Montag, 21. Dezember 2015

Das neue Mittelalter

http://www.welt.de/kultur/article150148112/Star-Wars-ist-ein-Zeugnis-unserer-Einfallslosigkeit.html

Um die Zukunft zu verstehen, muss man also bloß das Mittelalter kennen. Als ich in ferner Jugend Mediävistik an der Universität studierte, gab es ein paar schlaue Professoren, die ihr Fach für das modernste überhaupt hielten: Ökonomie und Politik führen pfeilgerade in einen neuen Feudalismus; fundamentalistische Religionen kehren zurück; Aberglaube und Hörensagen ersetzen die Wissenschaft; und die Massen haben Heidenspaß an Rittergeschichten. Genau so ist es gekommen.

Montag, 19. Oktober 2015

Was ist Pegida und warum?

Wissenschaft: 

In Ostdeutschland werden die Folgen dieser Metamorphose des demokratischen Systems durch die Nachwirkungen jener Transformation verstärkt, die in den vergangenen Jahrzehnten schon einmal die Lebensbedingungen nachhaltig verändert hat. Im Zuge der friedlichen Revolution von 1989 sind zum Teil stark vereinfachende Vorstellungen demokratischer Entscheidungsfindungsprozesse entstanden, zum Teil aber auch durchaus berechtigte Erwartungen an das neue freiheitlich-demokratische System. Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und ökonomischer Deprivationserfahrungen haben sie mittlerweile ebenso starke politische Enttäuschungsmuster hervorgebracht.

Deutsch: 

Weil die Ossis das Gefühl haben, dass ihnen was weggenommen wurde, sind sie von der Demokratie enttäuscht. 

http://www.faz.net/aktuell/politik/die-gegenwart/protestbewegungen-was-ist-pegida-und-warum-13863310-p4.html

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Italien (Hans Volkert/C.F. Meyer)



Auf steigt der Strahl, und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird so reich,
Der dritten wallend ihre Flut.
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.

Donnerstag, 3. September 2015

Donnerstag, 27. August 2015

Ästhetik

"So sittlich und edel, lieber Herr Collega, diese Leibesübung dem Manne ansteht, so sehr ist der Anblick eines radfahrenden Weibes geeigenschaftet, unseren am klassischen Geiste geläuterten Schönheitssinn in seiner vollen und ganzen Tiefe zu empören."


Mittwoch, 19. August 2015

Fichte nach 100 Jahren (1911)

"An DIESE deutsche Nation kann meinetwegen ein Philosoph wie Bethmann Hollweg Reden halten; ich nicht."


Samstag, 15. August 2015

Der neue Blutarsch


Der neue Blutarsch, Biographien hervorragender Charaktere der Geschichte, Literatur und Kunst Taschenbuch – 28. Februar 2010
von Martin Philippson  (Autor)

http://www.amazon.de/Blutarsch-Biographien-hervorragender-Charaktere-Geschichte/dp/1146118279


Das kommt davon, wenn der Scanner (oder die Deppen bei Amazon) keine Frakturschrift lesen kann und dann auch noch die Rechtschreibprüfung des Wordprocessors zuschlägt.
Gemeint ist natürlich der "neue Plutarch", 1874 von Rudolf von Gottschall herausgegeben, ein bekanntes Sammelwerk mit Biographien aus dem 19. Jahrhundert.

https://archive.org/details/derneueplutarch04unkngoog




Die Freude Monatshefte für freie Lebensgestaltung, Mai 1927

Es ist Frühling. Ich bin zwanzig Jahre alt. Mein Har ist blond. Ich bin verwachsen.
Ich wußte noch nie, wie schön das Leben ist. Ich möchte ein Lied singen Gott zur Ehre.
Als ich im Frühlicht zu meiner Waldwiese kam, stand ein Mädchen im Grase unter den Blumen - das war nackt. Es hatte die Arme ausgebreitet und jubelte über seine Schönheit und die Schönheit der Welt.
Mein Herz tat einen leisen Schrei. Ich strich an meinem Körper entlang und fürchtete mich sehr. Mein Körper war mir fremd und sprach nicht zu mir. Aber der Leib des Mädchens redete und ich verstand jedes Wort.
Das Mädchen sah mich an. Ich kannte sie nicht, sie war mir fremd. Sie stand regungslos und sah mich an. Allmählich erlosch der Glanz ihrer Augen. Mir schien, als ob das Haar dunkler wurde, die Nasenflügel bebten, der Mund zuckte und der Körper, die ganze, zarte Gestalt zitterte. Auf einmal weinte sie schreckhaft und kurz auf, wie hilflose Kinder weinen.
Ich wandte mich ab.
Es ist Frühling. Ich bin zwanzig Jahre lat. Ich habe mich heute zum ersten Male selbst gesehen. Wußte ich denn je, wie tief die Geigen klingen! Und wie voll der Mond am Himmel steht! Alle Menschen schlafen um mich. Oder alle sind wach, nur ich träume. Mir ist so merkwürdig zu Sinn.
Ich hadere nicht.
Ich weiß nur auf einmal, daß ich ein Mädchen bin.
Das Leben ist groß und weit und unendlich - ich sah heute ein Mädchen, das war schön.
Auf einmal verstehe ich alles. Auch das hilflose Weinen, das so unerklärlich in dem hellen Frühlingstag stand.
Das war ein Lied, das ein fremdes Mädchen auf meinen Körper sang. Mein Haar ist blond - und mein Weg geht am Leben vorbei.
(Hildegard Wöhrmann)


Die vier Temperamente (nach Carl Huter)


Mittwoch, 12. August 2015

Neritina fluviatilis, die gemeine Kahnschnecke - Weichtier des Jahres 2004

Xavier Faltin schlug oft die Stelle im Buche auf, wo sich eine genaue Schilderung der Fortpflanzung einiger Gastropoda fand, nämlich der Neritina (fluviatilis), A,B + C, wie sie noch in der Doktorarbeit genannt wurden.
Das geschlechtsreife befruchtete Tier, das in der Katalyse bestimmter Hormone zum Weibchen geworden ist, schließt 150 oder 200 Eier in einer gemeinsamen Kapsel ein. Aus jedem der Eier entwickeln sich die Embryonen. Nach Ablauf der Brutzeit befinden sich 150 oder 200 fresslüsterne Wesen gemeinsam eingeschlossen, ohne den Fresstrieb durch Nahrungsstoffe von außen befriedigen zu können. Es ist ihre Bestimmung, einander zu verzehren.
Da sie Hunger spüren, gibt es für die Befriedigung und nicht Befriedigung, Behagen und Schmerz. Die Stärkeren fressen die Schwächeren, die Schlauen die weniger Schlauen. Die Natur ist ganz unerbittlich, auch die letzten Zwei müssen sich bekämpfen, der einzige muss den Vorletzten fressen, wie gemästet er auch inzwischen sein mag. Erst wenn alle Geschwister verzehrt sind, ist der eine stark genug, um die Kapsel zerbrechen zu können.
Xavier Faltin war wie benommen von dieser Schilderung.

(Hans Henny Jahnn: Epilog, S. 1731)

http://www.mollusken-nrw.de/weichtier_des_jahres/weichtier2004.htm


Samstag, 8. August 2015

Mistische Nächte

Der Mensch als Sklave der Sinnlichkeit, angekettet an die Welt, eingekerkert inner dicken Mauern von Vorurtheil und Irrthum, schmachtet nach Glück und Kenntnissen; seitwärts stehen die Sinnlichkeit und der Genius des Bösen; die ihm das Schattenbild des Glücks durch eine Zauberlaterne an der Wand zeigen. Vergebens strebt er nach selbem; von oben herab reicht die Religion dem Geblendeten ihren Arm, allein er richtet seine Blicke nicht aufwärts, und sieht nicht, daß Licht, Erkenntniß und Glück von oben herab kommen. 

(Karl von Eckartshausen: Mistische Nächte oder Der Schlüssel zu den Geheimnissen des Wunderbaren, München 1791)


Dienstag, 4. August 2015

Haarausfall

128.

Die Locken, die du jung dir von der Stirn mußt streichen,
Im Alter siehest du von selbst zurück sie weichen.
Der Sitz des Denkens dort, verhangen sonst vom Schleier,
Die Stirne zeiget nun sich offener und freier,
Der Wald gelichtet, der die Aussicht einst verschattet:
Das Alter nimmt dir nichts, was es dir nicht erstattet.

(Fr. Rückert, Die Weisheit des Brahmanen, IV)


Tschurilin

Tschurilin war ein großes Original, dessen Einfälle neben denen eines exzentrischen Dollarnabobs bestehen konnten. Seine Streiche waren das Tagesgespräch der Moskauer.
Im Sommer, wenn seine Familie verreist war, lud Tschurilin seine Bekannten zu einer "Eisenbahnfahrt nach Petersburg" ein. Engeweihte wußten schon, was das bedeutete.
Der Zug, so hieß es in der Einladung, fährt pünktlich 7.30 Uhr ab.
Man erschien also pünktlich in der Wochnung des Millionärs und wurde in den Salon geführt. Das Zimmer war in ein Bahnhofsrestaurant umgewandelt. Auf dem Tisch, der sich unter der Last der Speisen bog, stand eine Batterie von Flaschen. Mehrere Kellner in der Kleidung von Bahnhofskellnern versahen den Dienst.
Um 7.30 Uhr wurde das Haus abgeschlossen. Kein Mensch wurde mehr eingelassen. Einige Minuten vor der Abfahrtszeit rief ein Eisenbahnschaffner vorschriftsmäßig aus: "Nach Petersburg, einsteigen!"
Die Gäste, die sich inzwischen im Hinblick auf die bevorstehenden Strapazen weidlich gelabt hatten, mussten sich jetzt ins Nebenzimmer begeben, dessen Tür verschlossen wurde. Sie durften allerdings Weinflaschen "mit ins Abteil nehmen". Im Zimmer saß man genau so lange, wie die fahrplanmäßige Eisenbahnfahrt bis zur nächsten Station der Strecke Petersburg-Moskau dauerte.
Erreichte man die Station, dann begab man sich wieder in das Bahnhofsrestaurant, das inzwischen von den Kellnern aufgeräumt und instandgesetzt worden war. Tschurilin selbst bewahrte seinen vollen Ernst und spielte die Rolle der Lokomotive, indem er bei der Abfahrt laut zischte und pfiff.
Dann ging die Fahrt weiter. Bei jeder Station wurde die Stimmung gemütlicher.
Um vier Uhr morgens, als der Zug fahrplanmäßig die Knotenstation Bologoe erreichte, konnten gewöhnlich einige Reisende die Reise nicht fortsetzen und mussten auf dem Bahnhof zurückbleiben. Tschurilin, der immer noch munter war, verkündete, daß sich einige Gäste leider verspätet hätten und deshalb zurückbleiben müßten.
Um 7.30 Uhr morgens wurde die Endstation Petersburg erreicht. Sämtliche Gäste lagen unter dem Tisch. Der einzige, der noch auf den Beinen stand, war Tschurilin selbst. Er pfiff bei der Einfahrt und fuhr aus seiner Wohnung sofort in sein Stammlokal, während seine Dienerschaft die Gäste in ihre Wohnungen beförderte.
Im Stammlokal wurde Tschurilin feierlich empfangen. Man servierte ihm eiskalten Wodka, eine saure Gurke und eine warme Fischpastete. Nach dieser Mahlzeit fuhr er in glänzender Verfassung in sein Bureau zu seinen Geschäften.

(Paul Burg, Lexikon berühmter Persönlichkeiten, S. 609)

Montag, 3. August 2015

Trogium pulsatorium, die Bücherlaus



Die Bücherlaus (trogium pulsatorium) ist ein kleines, flinkes Tierchen. Sie findet sich an Büchern, wurmstichigen Möbeln, alten Polstermöbeln, in Insektensammlungen usw. Die Bücherlaus lebt vor allem von tierischen und pflanzlichen Abfällen, die sie bei ihren Wanderungen auffindet. 
(Bilderfolge "Ungeziefer", E. Merck, Darmstadt)

Sonntag, 2. August 2015

Lesen bildet

Thaunay, ein Nichtstuer in Toulouse, erbte von seinem Onkel ein kleines Schloss mit Landbesitz in der Nähe von Avignon. Da der Kavalier schon lange auf die Erbschaft gewartet hatte, lebte er in Saus und Braus, bis das Testament ihm, trotzdem er Alleinerbe war, Enttäuschung brachte.
Er hatte erwartet, außer dem Schloss und Ackerland, welches wenig abwarf, auch Bargeld zu erben. Resigniert bezog er das ländliche Wohnhaus seines Onkels, und beauftragte seinen Notar, die Realitäten möglichst schnell zu verkaufen.
Nicht wenig verwundert war er, als unter den Kauflustigen sich auch ein junger Installateur befand, welcher vor kurzem die elektrische Lichtanlage im Schlosse repariert hatte. Er erhielt als Höchstbietender den Zuschlag und wurde acht Tage nach Bezahlung der Kaufsumme als Besitzer eingetragen.
Der junge Erbe zog nach Paris und hörte durch Zufall von einem alten Freunde, dass sein Onkel tatsächlich ein ansehnliches Vermögen in Barmitteln besessen habe, jedoch als Sonderling das Geld an einem Platze versteckt hätte, welchen man ausfindig machen müsse. Er beauftragte einen geschickten Detektiv, das Geheimnis aufzuklären.
Das Resultat war geradezu phantastisch. Der verstorbene Testator hatte sein ganzes Geld in der Bibliothek aufbewahrt, indem er die Banknoten zwischen die Blätter der verschiedenen Bücher steckte, welche er dann verklebte.
Der junge Installateur, welcher für Reisebeschreibungen schwärmte, hatte aus der Bücherei anläßlich der Reparaturarbeiten im Schloss mehrere Werke von Jules Verne mit nach Hause genommen und fand in diesem 300.000 Frs. in großen Bankbillets vor. Paul Thaunay trat wieder seinen Besitz an, fortan dauernd damit beschäftigt, den Rest des Barvermögens zwischen den einzelnen Bänden herauszusuchen, was nicht ganz einfach ist, da die Schlossbibliothek 20.000 Bücher umfaßt! In einem Bande fand er einen Vermerk seines Onkels, der die in den Büchern deponierte Barsumme auf zwei Millionen Franken angibt.

(Paul Burg-Schaumburg: Minerva-Lexikon berühmter Persönlichkeiten aller Zeitalter, 1929, S. 595)